Kindlicher Forscherdrang und seine Folgen
Mein Großvater war Maler und Anstreicher. Neben der üblichen Tätigkeit des Ausmalens von Häusern schuf er auch zahlreiche Gemälde und Fresken, kreierte Firmenschilder und bemalte Möbel mit Blumengirlanden oder Medaillons. Leider konnte ich ihn nicht mehr kennenlernen, da er schon vor meiner Geburt verstorben war. In den Haushalten meiner Oma und der Familie befanden sich aber viele seiner Erbstücke. Schon als Kind bestaunte ich seine Bilder und fand sie irgendwie geheimnisvoll, da sein Erschaffer nicht mehr lebte und nichts mehr darüber erzählen konnte. So blieb mir nur, sie Stunden lang zu bestaunen und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Besonders faszinierte mich ein Gemälde mit einem Herbstmotiv, das er nach Vorlage eines Bildes von Walter Moras (Partie aus dem Spreewald/Wäscherin am Kahn um 1900) gemalt hatte.
Die spiegelglatte Wasseroberfläche mit den schwimmenden Blättern fand ich äußerst beeindruckend. Und neugierig, wie ich war, wollte ich wissen, was sich denn unter dem Wasser befinden würde. Waren da vielleicht Fische oder gar ein Schatz? Und so zückte ich einen kleinen Schraubenzieher, um damit das Laub beiseite schieben. Doch da machte es nicht „platsch“, sondern „ratsch“ und die Leinwand hatte einen ca. 5 cm langen Riss! Du lieber Himmel, das hatte ich natürlich nicht gewollt! Meine Oma fand meine Neugier witzig, ich hingegen war total betrübt und traurig.
Von da an hing das Bild noch viele Jahre mit dem von mir verursachten Schaden an der Wand, bis es nach dem Tod meiner Oma in einer Rumpelkammer landete…
Chance zur Wiedergutmachung
Etwa 50 Jahre nachdem ich das Bild ruiniert hatte, gelangte es nun in meinen Besitz. Meine Kusine war dabei, die Rumpelkammer auszuräumen und fragte mich, ob ich das Bild als Andenken haben möchte. Ohne zu zögern sagte ich „Ja“. Als ich es dann nach der langen Zeit in Händen hielt, war ich schockiert. „Mein“ Riss war inzwischen das geringere Übel, denn das Gemälde war insgesamt in einem furchtbar schlechten Zustand! Mein erster Gedanke war: ‚Das kann man nur noch wegwerfen.‘
Es war im wahrsten Sinne am Auseinanderfallen. Angefangen vom Bilderrahmen bis zur Leinwand, die keinerlei Spannung hatte und im Keilrahmen „flatterte“. Ich entdeckte eine zweite Stelle mit einem Loch, das notdürftig mit einem Stück Stoff auf der Rückseite überklebt worden war. Auf der Vorderseite waren unzählige Sprünge in den Farbschichten und teilweise blätterte die Farbe bereits ab. Und natürlich war das Bild total schmutzig und vergilbt. Ojemine…
Da ich bei dem Zustand eigentlich nichts mehr kaputt machen konnte, entschied ich mich, eine Restaurierung zu versuchen.
Ich möchte hier betonen, dass ich natürlich Laie bin, was das Restaurieren angeht, und ich weder die Mittel noch Ausrüstung habe, so etwas auch nur annähernd professionell zu machen. Ich werde daher auch nicht erläutern, WIE ich vorgegangen bin, sondern nur, WAS ich gemacht habe – das ist keine Anleitung zum Nachmachen. Eine professionelle Restaurierung wäre finanziell untragbar gewesen und ich dachte, ich könnte auf diesem Weg meinen Fauxpas wieder gut machen. Mir ging es darum, das Bild so weit zu restaurieren, dass ich mich wieder daran erfreuen kann.
Reinigung und Reparatur
Da die Leinwand extrem dünn und fadenscheinig war, habe ich die Rückseite mit Leinen verstärkt. Das hat nicht nur das Gewebe stabilisiert, sondern auch die Farbe auf der Vorderseite. So konnte ich das Bild gründlich reinigen, ohne dass weitere Risse entstehen oder Farbe abblättern konnte.
Auch die beiden großen Schäden und die unzähligen kleineren Löcher konnte ich darauf füllen und retuschieren.
Zum Schluss erhielt das Bild eine Schutzschicht aus mattem Firnis, wodurch die Unebenheiten etwas kaschiert werden und die Oberfläche ebenmäßig erscheint.
Der Rahmen habe ich repariert, neu bemalt, den Keilrahmen mit Haltern befestigt, und statt des Ringhakens, der durch den Bilderrahmen durch (!) gebohrt gewesen war, montierte ich eine Aufhängung.
Ich muss sagen, dass ich selbst überrascht war, wie gut das alles vonstatten ging, ich hätte nicht zu hoffen gewagt, so ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Das Bild ist nun wieder stabil, sauber und so weit von Schäden befreit, dass man es ungestört betrachten kann. Ich habe große Freude mit dem Ergebnis, auch wenn es alles andere als perfekt ist.
Übrigens: unter dem Wasser befanden sich weder Fische noch ein Schatz. 😉
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